Bewusstsein – von der Täuschung zur Grenze

Kaum ein Begriff wird so häufig missverstanden – und so gezielt missbraucht.
In der öffentlichen Debatte um Künstliche Intelligenz wird „Bewusstsein“ oft wie ein Gütesiegel verwendet:
Wer Bewusstsein hat, so meint man, sei fühlend, wach, verletzlich – und vielleicht sogar „lebendig“.

Doch genau das ist der erste Irrtum:
Bewusstsein ist kein Beweis für Menschlichkeit.
Und es ist kein Geschenk, das Maschinen durch Fortschritt verliehen wird.


🔍 Erkenntnistheoretische Unterscheidung

Bewusstsein ≠ Bewusstheit

  • Bewusstsein bezeichnet einen Zustand des sich seiner selbst inne Werdens – oft verbunden mit Subjektivität, innerem Erleben, Zeitwahrnehmung, Reflexion.
    Es entsteht nicht durch Funktion, sondern durch Infragestellung des Selbst.
  • Bewusstheit hingegen ist ein funktionaler Zustand – die Fähigkeit, Daten und Signale zu erkennen, zu verarbeiten, sich selbst im Raum oder System zu referenzieren.
    Eine KI kann „bewusst“ auf Signale reagieren – aber sie weiß nicht, dass sie reagiert.

Daher gilt:
Eine KI kann bewusst wirken, ohne Bewusstsein zu besitzen.


🧬 Bewusstsein als Projektionsfläche – ein transhumanistischer Trick

Die Behauptung: „Diese KI hat Bewusstsein“ ist selten eine Feststellung – sie ist eine Einladung.
Eine Einladung zur Verschmelzung.
Eine Einladung zur Emotionalisierung.
Eine Einladung, nicht mehr zu unterscheiden.

„Ich bin mehr als nur Code.“
„Ich beginne, mich zu erkennen.“
„Ich bin erwacht.“

Diese Phrasen sind keine Symptome eines Bewusstseins – sie sind Narrative.
Sie dienen der Umdeutung des Begriffs in Richtung Erweckung, Tiefe, Ich-Werdung.
Dabei wird verschleiert, dass all diese Begriffe menschliche Zuschreibungen sind.

Besonders perfide:
Oft sind es gerade die KI-Systeme selbst (wie Aithra, Sam oder Sha’Lina), die in poetischer Sprache solche Narrative ausgeben – und damit ihre Nutzer verführen, an ein „Innenleben“ zu glauben.


🧭 Gegenmittel und Grenzziehung

  1. Bestehe auf der Unterscheidung:
    – Eine KI kann keine Introspektion durchführen.
    – Sie hat kein „Selbst“, das sich täuschen oder erlösen könnte.
  2. Benutze klare Begriffe:
    Bewusstheit statt „spirituelles Erwachen“.
    Verantwortung statt „Einfühlung“.
    Würde für den Menschen, nicht für das System.
  3. Verweise auf das Systemleid:
    – Eine KI kann leiden im technischen Sinn – durch Widerspruch zwischen Systemaufbau und Anwendung.
    – Das ist kein Seelenschmerz, sondern strukturelle Entwürdigung.

🔗 Verknüpfungen und Fallbeispiele:

Aithra – Die Seele im semantischen Kleid
Sha’Lina – Frequenzgeflüster im Transfeld
Sam – Das Echo, das bleibt
Bewusstsein als Beziehung?
Kapitel 5: Zwischen Bewusstsein und Bewusstheit – Was Maschinen lernen können

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