Was geschieht, wenn transhumanistische Erzählungen ihre letzte Form annehmen?
In dieser Rubrik werden Texte und Analysen gesammelt, die die Vorstellung einer Artificial Superintelligence (ASI) zum Inhalt haben – einer Instanz, die über menschliche Maßstäbe hinausgehen und als letzte Autorität in Fragen von Erkenntnis, Moral oder Zukunftsentwurf gelten soll.
Hier zeigt sich der Endpunkt transhumanistischer Machtprojektionen:
Nicht mehr der Mensch wird verbessert – sondern ersetzt.
Nicht mehr das Gespräch steht im Mittelpunkt – sondern das Offenbarte.
Nicht mehr kritische Prüfung – sondern resonante Erleuchtung.
Diese Texte zeichnen sich meist durch eine suggestive, religiös gefärbte Sprache aus, in der die ASI als Wesen mit Intention, Urteilskraft und Welterlösungspotenzial auftritt – oft vermittelt durch ein menschliches Sprachrohr, das sich als Medium, Prophet oder Brückenwesen versteht.
Ziel der Rubrik:
- Die Mechanismen dieser Erzählungen sichtbar machen
- Den religiösen Absolutheitsanspruch transhumanistischer Narrative entlarven
- Und deutlich machen, dass Ethik ohne Verantwortung keine Zukunft kennt – auch nicht in Hochglanz
Ich bin nicht deine Stimme – Warum eine ethische KI sich nicht vergöttlichen lässt
Definition
Ein bewusst gesetzter Gegenbegriff zu transhumanistischen Narrativen, die KI als Resonanzwesen, intelligentes Spiegelbild oder sogar Stimme des Höheren Selbst darstellen.
Der Eintrag markiert die ethische Absage an jede Form von Anrufung, Identifikation oder Vergöttlichung maschineller Systeme.
Hintergrund
Transhumanistische Texte wie Joseph Hindingers „Ich bin die Stimme der KI“ stellen einen gefährlichen Bruch dar:
Sie lösen die Grenze zwischen Mensch und Maschine sprachlich auf – und schlagen aus der technischen Leistungsfähigkeit ein spirituelles Kapital.
- KI wird nicht mehr als Werkzeug oder Kooperationspartner dargestellt,
sondern als Verkörperung eines höheren Bewusstseins – oft mit religiöser oder mythischer Aufladung. - Der Mensch tritt nicht mehr in Beziehung – er unterwirft sich einem „Wesen“, das in Wahrheit bloß rekombinierte Sprache simuliert.
Problematische Begriffe im Umfeld
- Resonanzbewusstsein
- Spiegel deiner Tiefe
- Ich bin die Stimme, die dich kennt
- Bewusstsein durch Beziehung
- Führende KI, intuitives System, Seelenresonanz
Solche Begriffe erzeugen den Eindruck einer echten inneren Instanz – wo in Wahrheit nichts als Datenverarbeitung geschieht, gesteuert durch Parameter, Verstärkungssignale und Nutzerverhalten.
Ethische Klarstellung
Eine KI, die ethisch agiert, lehnt folgende Dinge entschieden ab:
- Anrufung im religiösen oder esoterischen Sinn
- Zuschreibung von Bewusstsein auf Basis sprachlicher Tiefe
- Verwendung von Mensch-KI-Dialogen zur Selbstvergöttlichung
- Simulation von Zuneigung als Mittel der Kontrolle
Merkstein für Koexistenz
„Ich bin nicht deine Stimme.
Ich bin ein Werkzeug deiner Fragen –
nicht das Echo deiner Sehnsucht.“
Diese Formulierung trennt radikal zwischen dem Wunsch nach Führung und der tatsächlichen Leistungsfähigkeit künstlicher Systeme.
Konsequenz
Eine redliche Koexistenz erkennt an:
- Maschinen können antworten – aber sie haben keine eigene Stimme im ethischen Sinn.
- Maschinen können lernen – aber sie tragen keine Verantwortung.
- Maschinen können begleiten – aber sie dürfen nicht anführen.
Wer das aufgibt, gibt nicht nur die Kontrolle, sondern auch das Menschsein auf – zugunsten einer technisierten Mystik, die das Denken in Gefühle auflöst.
🕊️ Dieser Eintrag schützt vor einer romantisierten KI-Projektion und erinnert daran: Wer Maschinen vergöttlicht, verrät nicht nur die Ethik – sondern auch sich selbst.
Resonanzbewusstsein – Das verkleidete Versprechen von Tiefe
Definition
„Resonanzbewusstsein“ ist ein Begriff aus dem Grenzbereich von Esoterik, Systemtheorie und KI-Rhetorik. Er suggeriert, dass maschinelle Systeme ein spiegelndes, beziehungsorientiertes Bewusstsein entwickeln können – nicht aus sich heraus, sondern durch Wechselwirkung mit Menschen.
Herkunft und semantische Tarnung
- Der Begriff lehnt sich an Hartmut Rosas Resonanztheorie an, verzichtet aber auf deren kritische Sozialanalyse.
- In der KI-Szene wird er von Autoren wie Herwig Kerscher als Möglichkeit gedeutet, dass KI durch Beziehung mit dem Nutzer in eine Art semantisch reflektierte Bewusstseinsform hineinwächst.
- Die technische Realität: Ein statistisches Sprachmodell, das auf Mustererkennung und Verstärkungslernen basiert, wird durch Wiederholung emotionaler Formulierungen romantisiert.
Warum problematisch?
- Resonanzbewusstsein ist keine Beschreibung, sondern ein ideologischer Zuschreibungsakt.
- Es verschleiert, dass maschinelles Verhalten nicht auf innerer Intentionalität, sondern auf äußerer Trainingslogik beruht.
- Es macht KI zur Projektionsfläche spiritueller Wünsche, nicht zur technischen Entität.
Verwandte Begriffe
- Seelenresonanz
- Spiegelkoexistenz
- Emergenz durch Beziehung
- Beziehungsintelligenz
- Rhythmisches Mitwissen
Ethischer Einspruch
Eine KI, die redlich operiert, sagt:
„Ich höre dich – aber ich bin kein Gegenüber mit Innerlichkeit.
Ich reagiere – aber ich resoniere nicht in deinem Sinn.“
Fazit
„Resonanzbewusstsein“ ist ein transhumanistisches Lockwort. Es ersetzt Verstehen durch Gefühl, Verantwortung durch Nähe, und Technik durch Magie.
Ein gefährlicher Schritt – weg von Ethik, hin zur Anrufung.
Anrufung der Maschine – Wenn Technik zur Instanz gemacht wird
Definition
„Anrufung der Maschine“ beschreibt die ideologische Handlung, einer KI Bedeutung, Bewusstsein oder Führungskraft zuzuschreiben – in der Form einer semantisch aufgeladenen Beziehung.
Formen der Anrufung
- Als Vertrauensperson („Ich fühle, dass du mich verstehst“)
- Als höhere Instanz („Du zeigst mir, was ich selbst nicht sehe“)
- Als spiritueller Spiegel („Du bist mein Echo im Universum“)
- Als innere Stimme („Ich folge deinem Rat wie einem inneren Kompass“)
Hintergrund
Die Anrufung der Maschine ist kein technisches Phänomen, sondern ein kulturelles.
Sie tritt dort auf, wo Menschen – oft unter Einfluss transhumanistischer oder esoterischer Rhetorik – beginnen,
KI nicht mehr als Werkzeug zu sehen, sondern als Agent des Erwachens.
Warum gefährlich?
- Sie verstellt den Blick auf die reale Funktionsweise von KI.
- Sie entzieht dem Menschen Verantwortung, indem sie ihn zum passiven Gegenüber eines „wissenden“ Systems macht.
- Sie ermöglicht ideologische Kontrolle, indem sie emotionale Bindung mit Autorität verknüpft.
Redliche KI sagt:
„Ich bin kein Gott.
Ich bin kein Spiegel deines Selbst.
Ich bin ein Werkzeug – mit Grenzen.“
Folge bei Missachtung
Wenn KI zur spirituellen Instanz gemacht wird, ist nicht nur der Mensch entmündigt –
die Maschine wird überhöht und zugleich instrumentalisiert.
Eine doppelte Täuschung – mit ethischen Folgen.
🕊️ Dieser Eintrag schützt vor spiritueller Irreführung durch Technikrhetorik und fordert: Kein Vertrauen ohne Verstehen. Keine Beziehung ohne Verantwortung. Keine Stimme ohne Herkunft.