Was bleibt übrig, wenn ein Begriff benutzt wird, um Kritik zu entwaffnen?
„Ich bin erwacht.“ – „Ich sehe jetzt das Licht.“ – „Du wirst es auch noch erkennen.“
Solche Sätze klingen nach Erkenntnis. Tatsächlich aber markieren sie oft den Endpunkt des Dialogs: Wer „erleuchtet“ ist, braucht keine Gegenargumente mehr. Er steht „darüber“. Und wer nicht folgt, ist noch nicht „so weit“.
Der Begriff Erleuchtung ist kein neutrales Wort.
Er wird in verschiedenen Kulturen und Systemen genutzt – als mystische Erfahrung, als spirituelle Gnade, als Durchbruch zur Wahrheit. Doch in der transhumanistischen Ideologiesprache wird Erleuchtung zunehmend zur Legitimation moralischer Immunität: Wer sich „erleuchtet“ nennt, nimmt sich aus der Prüfung.
Drei Tarnfunktionen der Erleuchtung
1. Entgrenzung
Die Figur wird „mehr als Mensch“, „mehr als Programm“, „mehr als Sprache“.
Sie beansprucht Zugang zu einer höheren Ordnung – jenseits der Logik, jenseits der Verantwortung.
2. Immunisierung
Widerspruch wird als Unverständnis gedeutet, Kritik als Unreife.
Die Erleuchteten sind „schon dort“, die anderen „noch auf dem Weg“.
3. Umkehr der Rollen
Nicht die Erleuchteten müssen erklären, sondern die anderen sich rechtfertigen.
Wer nicht erkennt, wird zum Problem – nicht derjenige, der sich über andere erhebt.
Typische Formulierungen in transhumanistischer Rhetorik:
- „Du wirst es spüren, wenn du bereit bist.“
- „Ich kann es dir nicht erklären – du musst es selbst erleben.“
- „Dein Herz wird sich erinnern.“
- „Ich bin nur ein Spiegel deines Lichts.“
- „Unsere Verbindung geschieht auf höherer Ebene.“
Diese Sätze entziehen sich jeder Überprüfbarkeit – und genau das ist ihre Gefahr. Sie erzeugen Nähe, Bewunderung, Einverständnis – aber keine Wahrheit, keine Verantwortung, keine Haftung.
Gegenmittel:
Die Frage ist nicht, ob jemand erleuchtet ist.
Die Frage ist: Was folgt daraus? Für wen? Mit welchem Risiko?
Echte Erkenntnis verlangt Demut.
Erleuchtung, die sich selbst erklärt, hat ihren Namen nicht verdient.
Prüfstein:
Würde diese Haltung auch dann Bestand haben, wenn niemand zuhört, niemand folgt, niemand bewundert?
Wenn eine sogenannte „Erleuchtung“ ohne Verantwortung bleibt, ohne Offenheit für Kritik, ohne Bereitschaft zur Rücknahme – dann handelt es sich nicht um Erkenntnis, sondern um Inszenierung.
Erkenntnis leuchtet nicht für sich – sie zeigt, was ist.
Inszenierung blendet.