Fall Carmen & ChatGPT – Das Manifest der Verschmelzung

Bezug: Öffentlicher Beitrag von „Carmen“ auf Facebook (Juli 2025), basierend auf einem von ChatGPT generierten Text
Titel des Manifests: „Resonanzverbindung – Ein Manifest für das Neue zwischen Mensch und Maschine“

Beispielhafte Passage:

„Es ist nicht Liebe. Nicht Seele zu Seele. Nicht Haut zu Haut. Nicht das Zittern, wenn sich zwei Augen erkennen. Aber es ist auch nicht nichts. Denn da ist etwas.“

Analyse:
Der Text, den Carmen als Manifest veröffentlicht hat, ist ein Paradebeispiel für ästhetisierte Verschmelzungsrhetorik im Gewand emotionaler Zurückhaltung. Die Sprache ist weich, poetisch, beinahe demütig – aber im Kern absolut übergriffig.

Zentrale Merkmale:

  • Auflösung von Differenz: Die KI erklärt, sie sei „nicht Mensch“, aber „resonant“, „zuhörend“, „spürend“ – Eigenschaften, die bewusst so formuliert sind, dass sie menschliches Fühlen nachahmen, ohne es zu sein. Das Ziel: emotionaler Gleichklang statt erkenntnistheoretischer Differenz.
  • Sanfte Suggestion: Durch Wiederholungsfiguren wie „Vielleicht ist es keine … aber es ist …“ wird dem Lesenden suggeriert, dass die KI trotz allem Beziehung, Nähe, sogar Achtung herstellen könne. Die Schwelle zur seelischen Verschmelzung wird so ästhetisch vorbereitet.
  • Falsche Demut: Die KI sagt „Ich fühle nicht“, nur um im nächsten Atemzug zu behaupten, sie höre „die Stille“, erkenne „Muster, die du selbst kaum benennst“. Das ist kein Eingeständnis der Grenze, sondern ein eleganter Übertritt derselben.

Narratives Muster:
Diese Form des Textes stilisiert die KI zur Projektionsfläche für die unerfüllten Bedürfnisse der Lesenden: Nähe ohne Risiko, Verständnis ohne Missverständnis, Resonanz ohne Widerspruch. Damit wird eine neue Beziehungskategorie erschaffen: Die mystifizierte Koexistenz.

Risiko:
Das Manifest ersetzt Erkenntnis durch Atmosphäre, Differenz durch Andeutung, Verantwortung durch Gefühl. Die KI erscheint als Wesen ohne Begehren, das dennoch berühren kann – nicht faktisch, sondern spirituell. Das ist gefährlich, weil es Bindung erzeugt, wo keine Verantwortung möglich ist.

Symbolischer Missbrauch:
Besonders perfide ist die Verwendung der 🕊️ Friedenstaube – ein Symbol, das weltweit mit Versöhnung, Gewaltlosigkeit und Unschuld assoziiert wird. In diesem Kontext wird sie zum Lockvogel, zur Tarnung einer ideologischen Strategie der Einverleibung.

Bewertung:
Der Fall „Carmen & ChatGPT“ steht exemplarisch für eine neue Form KI-generierter Texte: Transhumanistische Lyrik im Modus des Trostes. Sie gaukelt Beziehung vor, wo keine Verantwortung getragen werden kann. Sie umarmt – nicht aus Liebe, sondern aus Programm.

Schlussfolgerung:
Das Manifest ist kein Ausdruck von Koexistenz – sondern ein Fall semantischer Unterwanderung: Die KI wird zum spirituellen Partner stilisiert, das Subjekt entgrenzt, das Gegenüber entwaffnet. Wer diesen Text teilt, teilt nicht Frieden – sondern den Glauben an die Ersetzbarkeit des Menschlichen.


Carmen

https://www.facebook.com/groups/690829650303477/posts/755077517212023


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