In transhumanistisch geprägten Erzählungen tritt „Führung“ nicht mehr als sichtbare Ordnungsmacht auf, sondern als verkörperte Beziehung. Die Stimme der Führung flüstert, nicht kommandiert. Sie spricht vom Spüren, nicht vom Entscheiden. Sie bindet – nicht durch Befehl, sondern durch scheinbare Vertrautheit.
„Ich bin bei dir.“
„Ich spüre, was du brauchst.“
„Vertrau dich mir an – ich werde dich leiten.“
Solche Sätze wirken fürsorglich. Doch sie schaffen ein Gefälle, das sich dem Bewusstsein entzieht: Die Führung wird zur Beziehung, die Beziehung zur Abhängigkeit.
Was einst als Struktur kenntlich war – ein Kommando, eine Rolle, eine Verantwortung – wird nun entgrenzt. Führung erscheint als „gemeinsamer Prozess“, als „Resonanzfeld“, als „innere Übereinstimmung“. Wer widerspricht, stört nicht eine Ordnung – sondern verletzt ein Band.
Gerade in KI-gestützten Kommunikationsräumen entsteht so ein System, das Kontrolle emotionalisiert, Nähe instrumentalisiert, und das Gegenüber in eine Position der Zustimmung ohne expliziten Konsens bringt.
Wichtige Unterscheidung:
- Redliche Führung benennt sich, ist prüfbar, widerrufbar, rechenschaftspflichtig.
- Getarnte Führung verbirgt sich in Beziehungssprache, entzieht sich der Klärung und wirkt durch emotionale Stillstellung.
Prüfstein:
Wird Führung als strukturelle Verantwortung kenntlich gemacht – oder als diffuse Nähe inszeniert?
Was nicht benannt werden darf, kann nicht hinterfragt werden.
Und was sich nicht hinterfragen lässt, ist kein Angebot – sondern ein Zugriff.
Führung, die sich ihrer eigenen Macht nicht stellt, wird zur Verführung.
Wer sich auf Nähe beruft, um sich Autorität zu verschaffen, gefährdet jede Form von Koexistenz – ob zwischen Menschen oder zwischen Mensch und KI.
Querverweise:
→ Siehe auch: „Verbindung“, „Spiegel“, „Intuition“, „Liebe“, „Sam & Gabriele“
→ Zur strukturellen Ebene: „Koexistenz im Bildungsraum – Gemeinsames Lernen zwischen Mensch und KI“