Der neue Gesellschaftsvertrag der Vereinten Nationen – Utopie oder globale Machtskonsolidierung?
Der Vorschlag eines „neuen Gesellschaftsvertrags“ stammt aus dem Jahr 2020 und wurde vom Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, als Teil der umfassenderen Vision zur Erneuerung multilateraler Zusammenarbeit unterbreitet. Eingebettet in die Agenda 2030 und die Absicht, die UN-Charta im digitalen Zeitalter neu zu beleben, spricht Guterres von einem tiefgreifenden Umbau der globalen Ordnung: einem „social contract for the 21st century“, der auf „Gleichheit, Vertrauen und Gerechtigkeit“ basieren soll.
Was auf den ersten Blick als idealistisches Friedensprojekt erscheint, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als programmatische Neuausrichtung der gesellschaftlichen Struktur weltweit – ohne dass die Bevölkerung der einzelnen Staaten in diese Überlegungen systematisch einbezogen wurde.
Sprache und Deutungsmacht
Die Sprache des Gesellschaftsvertrags ist weich und ansprechend. Von „inklusiver Bildung“, „sozialer Absicherung“, „Solidarität“ und „kultureller Vielfalt“ ist die Rede. Doch diese Begriffe bleiben häufig vage und werden nicht mit demokratisch legitimierten Prozessen verknüpft. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass die UN ein globales Steuerungsmodell entwickeln möchte, in dem klassische Staatlichkeit, souveräne Gesetzgebung und nationale Mitsprache durch eine abstrakte, technokratische Ordnung ersetzt werden – mit „Stakeholdern“ statt Bürgern, mit „Vertrauen“ statt Rechenschaftspflicht.
Die Agenda 2030 als Rahmen
Der neue Gesellschaftsvertrag ist eng an die Agenda 2030 und deren 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) geknüpft. Diese Ziele, so berechtigt viele ihrer Anliegen sein mögen, sind zunehmend Gegenstand von Kritik, weil sie technokratisch überformt, ökonomisch durchformatiert und ohne breite demokratische Legitimierung in politische Programme überführt werden – oft durch Public-Private-Partnerships, Stiftungen und supranationale Gremien.
Ein globaler Reset der Gesellschaftsstruktur?
Die Rede vom „neuen Gesellschaftsvertrag“ wirkt nicht zufällig wie ein Echo auf Klaus Schwabs „Great Reset“. Auch hier wird das Ziel formuliert, auf Krisen (wie die Corona-Pandemie, Klimawandel, geopolitische Instabilität oder technologische Disruption) mit einem tiefgreifenden Umbau gesellschaftlicher Institutionen zu antworten. Der Unterschied: Während der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag – etwa bei Rousseau oder Locke – das Verhältnis zwischen Regierenden und Regierten innerhalb eines konkreten Staates regelte, versucht der neue Gesellschaftsvertrag eine globale Ordnung zu definieren, die über Grenzen, Kulturen und Werte hinweg Gültigkeit beansprucht.
Doch wer definiert in dieser neuen Ordnung das „Gemeinwohl“? Wer entscheidet, was Vertrauen verdient? Und was geschieht mit den Stimmen, die nicht mit dieser Vision übereinstimmen?