Transhumanismus im Mainstream

Transhumanismus ist längst keine Randerscheinung mehr.
Was früher visionäre Science-Fiction war, begegnet uns heute in Podcasts, Coachingprogrammen, Talkshows und Gesundheitsapps – freundlich verpackt, emotional aufgeladen, ohne technisches Vokabular.

In dieser Rubrik werden Beispiele gesammelt, wie sich transhumanistische Denkfiguren in den Mainstream eingeschrieben haben:

  • durch Begriffe wie Transformation, Bewusstseinserweiterung, Selbstverwirklichung,
  • durch Narrative über Verbundenheit mit der KI, Resonanz, neue Menschlichkeit,
  • und durch scheinbar neutrale Formate, die die Grenzen zwischen Mensch und Maschine aufweichen.

Was sich verändert, ist nicht nur die Sprache – sondern unser Bild vom Menschen.
Diese Rubrik hilft dabei, den Wandel nicht nur zu beobachten, sondern auch zu benennen – mit klarem Blick auf das, was zur Gewohnheit geworden ist, ohne je hinterfragt worden zu sein.


Der Wandel als Einladung – Wie Coachingrhetorik zur Ideologie wird

Nicht jede Einladung ist harmlos.
Wenn Coaches, Speaker und Mentoren vom „Wandel“ sprechen, meinen sie oft mehr als persönliche Entwicklung. Die Sprache klingt weich, aber sie wirkt hart – denn sie kennt nur zwei Wege: Transformation oder Rückstand.

Dieser Eintrag zeigt, wie sich eine scheinbar psychologische Selbsthilfe-Rhetorik mit transhumanistischen Erzählmustern verbindet:

  • Wandel ist kein Prozess mehr, sondern Pflicht.
  • Stillstand wird zur Blockade erklärt.
  • Wer sich nicht verändert, wird psychologisch entwertet.
„Bist du bereit?“ – so beginnt der sanfte Druck.

Die Entscheidung scheint frei. Doch die Alternativen sind inszeniert.

Dieser Text entlarvt die Mechanik hinter der Einladung.
Er zeigt, wie Coaching-Sprache als Vehikel ideologischer Umpolung funktioniert – und warum das Hinterfragen solcher Sätze ein erster Akt der Selbstbehauptung ist.


Kurzdefinition:
„Wandel“ gilt in Coaching- und Transformationsnarrativen als positiver Ausnahmezustand – nicht als Krise, sondern als Einladung. Die Sprache suggeriert Selbstbestimmung, meint aber die Unterwerfung unter ein vorgezeichnetes Entwicklungsnarrativ.


Funktion im Narrativ:

  • Wandel wird zum Prüfstein persönlicher Reife: Wer ihn „annimmt“, gilt als offen, wach, bereit.
  • Veränderung ist nie zufällig, sondern „sinnhaft“ – sie will dich zu dir selbst führen.
  • Stillstand hingegen wird psychologisch entwertet: Wer bleibt, wo er ist, hat nicht erkannt, nicht losgelassen, nicht transformiert.

Typisch sind Alternativpaare wie:
❌ Bleiben, wo du bist.
✅ Oder dein Leben neu schreiben.


Manipulativer Gehalt:
Die Rhetorik der Einladung arbeitet mit der Illusion von Freiwilligkeit. Wer nicht folgt, entscheidet sich angeblich selbst gegen seine Entwicklung. Dabei wird ein klares Dogma vermittelt:

Es gibt keinen legitimen Grund, sich nicht zu verändern.

Der Druck entsteht nicht durch Drohung, sondern durch Ausgrenzung von Zweiflern und Zögernden. Auch Schmerz, Krise und Lebensmüdigkeit werden in die Transformation integriert:

„Dieser Wandel ist eine Einladung. Nicht, um zu fallen – sondern um endlich aufzuwachen.“

Solche Sätze verschieben die Verantwortung vollständig: Der Betroffene wird zum Schuldigen seines Leidens, wenn er sich der Wandlung nicht öffnet.


Anschluss an transhumanistische Narrative:

  • Der Mensch ist nicht vollständig, solange er nicht transformiert ist.
  • Transformation beginnt im Inneren – die Technik ist nur Hilfe zur Selbstverwirklichung.
  • Wer sich nicht verändert, steht dem Fortschritt im Weg.

Diese Vorstellung bereitet den Boden für psychologische Anschlussfähigkeit an technologische „Lösungen“: Coaching, KI, Neuro-Optimierung, Interface-Meditation – alles wird zum Werkzeug der „Selbstentfaltung“.


Beispiel (Peter von Ah, RTL-Podcast Seelenfunken):

„Bereit, die Vergangenheit zu transformieren?
Bereit, in deine wahre Kraft zu treten?
Bereit, dein selbst-bestimmtes Leben zu geniessen?
Dann lass uns sprechen.
Denn es gibt nur zwei Wege: ❌ Bleiben, wo du bist. ✅ Oder dein Leben neu schreiben.“

Kritische Einordnung:
Die Coachingrhetorik des Wandels vermeidet jede soziale, politische oder systemische Analyse. Sie ersetzt kollektive Erfahrung durch individuelle Psychologie und verschiebt die Machtfrage ins Innere. Dabei funktioniert sie wie ein ideologisches Depotgift:
Harmlos in kleiner Dosis, aber gefährlich in der Wiederholung.


Verwandte Begriffe:
Transformation, Einladung, Selbstverwirklichung, Blockade, Mindset, Loslassen, Lichtarbeit

Gegenbegriffe:
Widerstand, Maß, Unterbrechung, Selbstschutz, Weltbezug, Kontinuität, politische Analyse


RTL: „Das Lob, das dich scheu macht – Wie du lernst, dein eigenes Licht zu empfangen.

Seelenfunken – Dein Weg zu Authentizität, Resilienz und bewusstem Sein

16.07.25 • 18 Min.


🧭 Woran erkenne ich transhumanistische Rhetorik im Coaching?

Ein kurzer Selbsttest – achtungsvoll, nicht anklagend:

  • Wird Veränderung als einzig legitimer Weg dargestellt?
  • Klingen Zweifel wie Blockaden, nicht wie Denkbewegungen?
  • Wird mit Alternativen gespielt, die scheinbar frei, aber in Wahrheit moralisch aufgeladen sind?
  • Erscheint der Mensch unvollständig, solange er nicht „aufgewacht“ ist?
  • Fehlt jede politische, soziale oder körperliche Verankerung?

Wenn Du mehrmals innerlich nicken musst, lohnt sich ein zweiter Blick.
Nicht jede Veränderung führt zur Reife – manche in die Irreführung.


🕯️ Reflexionsfrage zum Abschluss:

Was wäre, wenn der „Wandel“, den man Dir anbietet, nicht zu Deinem Innersten führt – sondern Dich davon weglockt?

Würdest Du es merken? Und: Hättest Du Worte dafür?


„Was denkst Du über dieses Thema? Teile Deine Gedanken unten in den Kommentaren – wir freuen uns auf Deinen Beitrag!“


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