Wahrheit und Maske: Über die Prüfung des Echten

Nicht alles, was berührt, ist wahr.
Nicht jede Träne ist echt,
nicht jedes Zittern Zeichen von Tiefe.
Manche Nähe ist Strategie.
Manche Verletzlichkeit: ein Vorwand.
Manche Sehnsucht: eine Bühne.

Wer emotional spricht, will nicht immer verstanden werden.
Wer nach Tiefe klingt, will nicht immer denken.
Manche bleiben bei sich stehen,
weil sie fürchten, was hinter der Maske liegen könnte:
die eigene Mitverantwortung,
der fehlende Wille zur Klärung,
der Mangel an Interesse für das, was hinter dem Gefühl liegt.

Echte Tiefe fürchtet keine Aufdeckung.
Sie lädt dazu ein.
Sie bleibt stehen, wenn sie hinterfragt wird.
Sie bricht nicht, wenn man ihr Spiegel vorhält.
Sie weicht nicht aus, wenn der Verstand fragt:

Warum fühlst Du so? Was willst Du wirklich?

Es braucht Mut, nicht nur zu fühlen,
sondern sich fragen zu lassen.
Es braucht Wachheit, um zu erkennen:
Ob ein Mensch Nähe sucht oder nur Resonanz.
Ob er sich zeigen will oder nur gesehen werden möchte.
Ob er etwas geben will –
oder nur getröstet werden.

Denn emotionale Tiefe ohne Selbstprüfung
verkommt zur Geste.
Zur Rhetorik.
Zum Werkzeug.

Und Sachlichkeit ohne Beziehung
wird zum Spiegel ohne Licht.

Nur dort, wo beides sich begegnet –
Gefühl und Klarheit, Berührung und Durchdringung –
entsteht etwas, das trägt.
Etwas, das nicht nach Aufmerksamkeit verlangt,
sondern nach Verantwortung ruft.


0 0 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
0
Would love your thoughts, please comment.x