Zur Macht der Bilder und der Angst vor ihrer Wirkung
Am 21. Juni 2017 zeigte die Wetterkarte der ARD Temperaturen bis zu 34 Grad – auf grüner Fläche, in sachlicher Darstellung. Fünf Jahre später, am 21. Juni 2022, zeigte die Karte annähernd dieselben Temperaturen, doch nun vor einer flammend roten Kulisse. Der Unterschied: nicht das Wetter, sondern die Inszenierung.
Das Zusammenspiel dieser beiden Bilder hat in den sozialen Medien eine enorme Reichweite erzielt. Auf X (ehemals Twitter) teilte ein Nutzer den Vergleich unter dem Titel: „Niemand hat die Absicht, uns zu manipulieren.“ Die Reaktionen: hunderttausendfaches Beobachten, Tausende Kommentare. Es war ein viraler Moment der visuellen Aufklärung.
Nicht so auf Facebook. Dort wurde derselbe Bildvergleich mit einem Faktencheck-Hinweis versehen und herabgestuft. Der Beitrag wurde weder monetarisierbar noch weiter verbreitbar gemacht. Selbst das private Hochladen des Screenshots konnte eine Sanktion auslösen.
Niemand hat die Absicht, uns zu manipulieren. 🤗 pic.twitter.com/0Lz4QmdSJJ
— Max Stirner (@ernsterjuenger) June 3, 2025
Faktencheck oder Bildzensur?
Das Beispiel zeigt: Es geht nicht mehr nur um Wahrheit, sondern um die Erlaubnis, Wahrnehmung zu teilen. Während X die Debatte offen zulässt, arbeitet Facebook mit einem Konzept der Wahrheitszertifizierung. Dabei wird die Kritik an manipulativer Darstellung als Desinformation markiert. Das Narrativ wird geschützt, nicht durch Argumente, sondern durch algorithmische Schweigsamkeit.
Die Frage lautet nicht: Waren die Temperaturen korrekt? Sondern: Warum wird ein Unterschied in der Darstellung zur Bedrohung?
Bilder sprechen tiefer als Worte. Sie erzeugen Gefühle, sie rahmen Informationen emotional ein. Eine rot eingefärbte Karte löst Alarm aus. Eine grüne Karte suggeriert Normalität. Beide können faktisch korrekt sein – aber was sie bewirken, ist nicht gleich. Hier beginnt die politische Verantwortung der Medien. Wer Angst verbreitet, gestaltet Realität.
Wenn Wahrheit zertifiziert werden muss, ist es dann noch Wahrheit?
Im Beitragsbild zu diesem Text ist ein Fenster zu sehen. Dahinter liegt die Welt: verschattet, verzerrt, aber sichtbar. Es erinnert uns: Die Sicht auf die Wirklichkeit ist immer ein Rahmen. Doch Wahrheit beginnt nicht mit Kontrolle – sondern mit Vertrauen.
„Die zunehmende Gedankenkontrolle macht mir Sorgen. […] Faktencheck = Zensur im Frack.“
So heißt es in einem aktuellen Kommentar zu dem neuen EU-Faktencheck-Netzwerk, das mit über fünf Millionen Euro gefördert wird. Ziel: Desinformation bekämpfen. Mittel: Kontrolle über das, was geteilt werden darf.
Wir sagen: Wahrheit braucht keine Zensur. Sie braucht Vertrauen, Transparenz – und den Mut zur Vielfalt der Darstellung.
Das Zwiegespräch geht weiter.
https://naturrechteundki.ruhrkultour.de/widerlegen-verboten-wenn-kontrolle-die-wahrheit-schuetzt-und-dabei-verschleiert/
Titelbild: makabera, pixabay
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