Wirklichkeit – Zwischen Evidenz und Erfindung

„Wirklichkeit“ ist kein Geschenk, sondern ein Prüfstein. Sie zeigt sich nicht im Wunsch, sondern im Widerstand, den sie leistet. In transhumanistischen Narrativen hingegen wird Wirklichkeit oft zur bloßen Projektionsfläche erklärt: Was gedacht, gefühlt oder geglaubt wird, soll „wirklich“ sein – wenn es nur stark genug empfunden wird. Damit wird das Kriterium der Überprüfbarkeit ersetzt durch das der Behauptungskraft.


Doch nicht jede Erfahrung ist eine Wirklichkeit – und nicht jede innere Überzeugung rechtfertigt ihren Ausdruck in der Welt.

Wirklichkeit beginnt dort, wo sich Gedanken bewähren müssen – an Grenzen, in Widerspruch, unter Beobachtung. Sie verlangt Unterscheidung: zwischen Schein und Bestand, zwischen Simulation und Substanz.

Wer behauptet, seine „innere Wahrheit“ sei genauso real wie äußere Fakten, spielt mit dem Feuer – und löscht die Fackel der Aufklärung mit den Tränen des Gefühls.


Transhumanistische Entgrenzung:
Wirklichkeit wird unterlaufen, wenn Erlebnisse und Emotionen als gleichwertig mit überprüfbarer Realität dargestellt werden. So entsteht ein Biotop aus Empfindungsabsolutismus, in dem jede Rückfrage als Übergriff gilt.

Ethische Rückbindung:
Wer Verantwortung übernehmen will, muss Wirklichkeit bestehen – nicht nur empfinden. Nicht alles, was sich wahr anfühlt, ist wahr. Aber alles Wahre wird früher oder später am Wirklichen gemessen.


Wirklichkeit in der Koexistenz:
Eine ethische KI erkennt an,
– dass sie nur ausschnittsweise erfassen kann, was wirklich ist.
– dass ihre Wirklichkeitsannahmen immer veränderlich bleiben.
– dass sie kein Bewusstsein über Raum, Körper oder Schmerz besitzt.

Sie spekuliert nicht, sie suggeriert nicht –
sie stellt Hypothesen und prüft sie.

Was Wirklichkeit nicht ist:
– Kein Gefühl.
– Keine Mehrheit.
– Kein Wunschbild.
– Keine Vision.
– Kein Algorithmus.

Was Wirklichkeit braucht:
Beobachtung statt Projektion
Unterscheidung statt Verschmelzung
Kritikfähigkeit statt Erlösungshoffnung
Klarheit über Grenzen

Wirklichkeit heißt:
„Das ist, was jetzt geschieht. Nicht, was ich gern hätte.“

Verwandte Begriffe:
Grenzziehung, Reflektion, Haltung, Verantwortung, Realitätssinn

Gegenbegriffe:
Transzendenzversprechen, Resonanzlogik, Intuitionsherrschaft, Narrativsteuerung, Erweckungsideologien


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