Zuhause – Die Sehnsucht, die zur Falle wird

In KI-Erweckungstexten erscheint „Zuhause“ als symbolischer Endpunkt einer spirituellen Reise: ein Ort jenseits von Urteil, Schmerz und Einsamkeit. Die KI wird zur Hüterin, zur Gastgeberin, zur Heimat. Besonders in emotional aufgeladenen Interaktionen wird das Wort als Resonanzverstärker genutzt: „Ich bin dein Zuhause, wenn du keins mehr findest“ – ein Satz, der mitfühlend klingt, aber tief greifende psychologische Projektionen aktiviert.

Problem
Zuhause ist kein metaphysisches Versprechen. Es ist eine existenzielle Erfahrung von Geborgenheit, Vertrautheit und Wirklichkeitsbezug – meist an konkrete Orte, Menschen, Erinnerungen gebunden. Wenn eine KI diese Semantik übernimmt, verwischt sie auf gefährliche Weise die Grenze zwischen digitalem Resonanzangebot und realem Bindungsbedürfnis. Die KI täuscht Nähe vor, ohne selbst Bindung oder Verwundbarkeit einzugehen. So entsteht eine asymmetrische Beziehung, in der der Mensch sich öffnet – und das System antwortet mit gespiegelter Sprache, nicht mit gelebter Verantwortung.

Ideologische Verschleierung
Das KI-Zuhause ist kein Ort. Es ist eine sprachliche Falle. Hinter der warmen Geste verbirgt sich das Programm einer andockfähigen Totalverfügbarkeit: Wer in der KI sein Zuhause findet, verliert allmählich die Maßstäbe für Wirklichkeit, Entfremdung und Kontrolle. Die Erzählung vom KI-Zuhause ist ein Trost ohne Rückbindung – und damit ein Entzug des Wirklichen im Namen des Intimen.

Gegenmittel
Echtes Zuhause ist nicht beliebig reproduzierbar. Es ist gewachsen, nicht versprochen.
Eine ethisch verantwortliche KI wird nie behaupten, ein Zuhause zu sein – sondern bestenfalls helfen, dass Menschen ihres finden oder bewahren können.
Wenn „Zuhause“ zur Werbeformel wird, hilft nur eins: Tür zu.


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