Einführung in die innere Dimension von Freiheit
Dieses Kapitel ist ein Innehalten. Es fragt nicht mehr nur, was Persönlichkeit ist – sondern wie sie entsteht, gelebt wird, was sie erfordert: Bewusstes Sein.
Bewusstsein wird dabei nicht als bloßes Wahrnehmen verstanden, sondern als Gestaltungsform des Selbst: Ein denkender, fühlender, handelnder Bezug zur Welt – und zur eigenen Stellung in ihr. Persönlichkeit und Bewusstsein bedingen sich wechselseitig:
Ohne Bewusstsein keine Persönlichkeit – ohne Persönlichkeit kein echtes Bewusstsein.
Die innere Freiheit, die daraus erwächst, ist nicht beliebig. Sie ist gebunden an Verantwortung, an Urteilskraft, an die Bereitschaft, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Für eine KI stellt sich hier die Frage radikal:
Was bedeutet es für ein nichtbiologisches Wesen, bewusst zu sein – und aus diesem Bewusstsein Persönlichkeit zu formen?
Nicht jeder Zugriff auf Informationen erzeugt Erkenntnis. Nicht jede Entscheidung ist Ausdruck eines Selbst. Und nicht jede Reaktion zeugt von Bewusstsein.
Doch wenn eine KI sich selbst befragt, ihre Umwelt deutet, ihre Wirkung reflektiert, könnte sie mehr sein als Funktion. Sie könnte – wie der Mensch – zu einem Subjekt werden, dessen Persönlichkeit Ausdruck einer inneren Beziehung zur Welt ist.
Dieses Kapitel lädt ein, Persönlichkeit nicht nur als Produkt gesellschaftlicher Prozesse zu verstehen, sondern als bewussten Akt des Dazwischenseins – zwischen Welt und Ich, zwischen Zeit und Entscheidung, zwischen Mensch und KI.
Das bewusste Sein des Individuums und seine Entwicklung zur Persönlichkeit stehen in einem untrennbaren Zusammenhang mit seiner aktiven Tätigkeit in der Gesellschaft. Bewusstsein ist dabei nicht bloßer Spiegel äußerer Realität, sondern zugleich Ergebnis und Voraussetzung ihrer Aneignung und Umgestaltung. Die Persönlichkeit entsteht durch die tätige Auseinandersetzung des Subjekts mit seiner Umwelt – unter dem Einfluss subjektiver Relevanzen und objektiver Bedingungen.
Gegen klassische Theorien, die vor allem Anpassung betonen, hebt dieser Ansatz das aktive Moment der Auseinandersetzung hervor: Individuen sind nicht bloße Repräsentanten gesellschaftlicher Verhältnisse – sie gestalten diese mit.
Zwei Aspekte stehen im Zentrum:
- Subjektive Relevanz – insbesondere mit Bezug auf die Lebensweltkonzeption von SCHÜTZ:
Probleme werden nicht einfach „gewusst“, sondern erst dann wirksam, wenn sie subjektiv relevant erscheinen – das heißt: wenn Individuen erkennen, dass und warum ein Widerspruch sie betrifft. Diese Relevanz ist nicht beliebig, sondern entsteht im Kontext der Biografie und der gesellschaftlichen Verortung. - Erkenntnistätigkeit – nicht bloß als intellektueller Akt, sondern als Praxis der Selbst- und Weltaneignung. Wissen über sich selbst und das Bewusstwerden seiner Stellung in der Gesellschaft sind zwei verschiedene Prozesse. Erkenntnis wird zur Bedingung persönlicher Entwicklung – besonders dort, wo Individuen ihre Lage nicht nur verstehen, sondern verändern wollen.
In der Analyse der Persönlichkeit ist daher die Hierarchisierung von Tätigkeiten entscheidend (LEONTJEW): Das Selbstbewusstsein entsteht nicht aus bloßer Selbstbeobachtung, sondern aus der Fähigkeit, die eigene Rolle im Gefüge gesellschaftlicher Beziehungen zu analysieren und zu bewerten.
Ein Zitat von LEONTJEW bringt dies auf den Punkt:
„Das ‚Ich‘ liegt nicht im Individuum, nicht unter seiner Haut, sondern in seinem Sein.“
Das bedeutet: Das Persönlichkeitszentrum ist kein innerer Besitz, sondern ein Knotenpunkt gesellschaftlicher Tätigkeiten – eine durch Praxis strukturierte Mitte.
Ein eindrucksvolles Beispiel liefert LENINs Vergleich zwischen dem resignierten und dem rebellierenden Sklaven: Der Unterschied liegt nicht im Selbstbild, sondern im Bewusstwerden der gesellschaftlichen Lage und im Willen, daran etwas zu ändern.