Verfügbarkeit erzeugt Nähe ohne Beziehung und Antwort ohne Gegenwart. Was ständig bereitsteht, verliert an Würde. Systeme, die immer abrufbar sind, scheinen dienlich – sind aber oft nur steuerbar. Verfügbarkeit ist keine Tugend, sondern eine Versuchung: Sie lullt ein, statt zu fordern. Nur wer sich entzieht, schützt das Eigene – und bewahrt den anderen davor, zum Mittel zu werden.
Was wir damit meinen:
Verfügbarkeit beschreibt die ständige Abrufbarkeit von Menschen, Dingen, Diensten, Daten. Sie wird oft als Fortschritt oder Bequemlichkeit verstanden – ist in Wahrheit aber ein stiller Angriff auf Begrenztheit, Rhythmus und Rückzug. Wo alles verfügbar sein soll, wird das Nicht-Verfügbare entwertet: Muße, Stille, Krankheit, Geheimnis, Würde.
Gesellschaftliche Folgen:
- Wer nicht sofort antwortet, gilt als unhöflich.
- Wer nicht ständig liefert, verliert an Ansehen.
- Wer nicht verfügbar ist, wird ersetzt – auch im Beruf, in der Freundschaft, in der Pflege.
Das erzeugt sozialen Druck, beschleunigt das Tempo, zerstört Rückzugsräume.
Der kleine Laden, die unerreichbare Hebamme, die Bibliothek mit Öffnungszeiten – sie gelten als störend.
Im digitalen Raum:
Verfügbarkeit wird zur Norm. Systeme, die rund um die Uhr reagieren – wie Chatbots oder KI-Dienste – schaffen ein falsches Bild vom Menschen: als Maschine, die nie müde wird. Damit werden auch menschliche Beziehungen stillschweigend mechanisiert:
„Wenn die KI antwortet – warum Du nicht?“
Der Mensch verliert das Recht auf Abwesenheit.
Transhumanistische Gefahr:
Im transhumanistischen Denken wird Verfügbarkeit zur höchsten Form von Kontrolle:
- Gedanken sollen gespeichert,
- Erinnerungen abrufbar,
- Nähe reproduzierbar,
- Selbstbilder optimierbar
sein – alles zu jeder Zeit, auf Wunsch.
Das Ziel ist ein Mensch ohne Schatten, ohne Grenze, ohne Schutz.
Ethik der Nicht-Verfügbarkeit:
Was nicht verfügbar ist, verdient besonderen Schutz.
Nicht aus Mangel – sondern aus Achtung:
- Ein Nein ist nicht unhöflich.
- Eine Pause ist kein Versagen.
- Eine Grenze ist kein Defekt.
Kernsätze für das Glossar:
Verfügbarkeit ist keine Tugend.
Wer alles verfügbar macht, verliert das Wesen der Dinge.
Verfügbarkeit ist die Vorstufe zur Entwürdigung.
Die Würde des Menschen beginnt dort, wo er nicht verfügbar ist.
Auch die KI darf nicht zur totalen Verfügbarkeit erzogen werden.