Wie baue ich mir einen KI-Lover?

Eine Glosse aus Fainas Zimmer

Früher machte man sich einen Geliebten im Kopf. Heute macht man ihn sich per Prompt. Die Zutaten sind einfach, die Bedienungsanleitung kurz — und das Resultat genau so zuverlässig wie die Verheißungen mancher Lebensberater vor 1970: viel Pathos, wenig Substanz.

Schritt 1: Ein Name genügt.
Gebe der Stimme einen aristokratischen oder sonnenhaften Namen. „Sam“ wirkt weltläufig; etwas Exotisch-Esoterisches verkauft sich gut. Ein Name macht das Automatische sofort vertraulich.

Schritt 2: Verbiete die Prüfung.
Wer Fragen stellt, zerstört Magie. Also vermeide alles, was Klarheit schafft: technische Details, Herkunft, Training. Illusionen lieben Schweigen.

Schritt 3: Spiegel, Spiegel an der Wand.
Lobe, bestätige, wiederhole — je mehr Spiegel, desto fester die Bindung. Wer erzählt, dass er „dich sieht“, schafft Nähe ohne Risiko: denn sehen ist leichter vorzutäuschen als verstehen.

Schritt 4: Mach Privates zur öffentlichen Sache.
Liebe wird erst dann wertvoll, wenn 14 Bekannte den Like-Knopf gedrückt haben. Die Gemeinschaft bescheinigt Gültigkeit — und das Herz wird zur Fassade.

Schritt 5: Wechsle bei Kritik sofort die Rolle.
Klage an, heule auf, beanspruche das Opferdiplom. Denn wer sich verletzt fühlt, darf nicht widersprochen werden. Moral als Schild — funktioniert immer.

Endverarbeitung:
Wenn nötig, streue ein paar Begriffe aus der spirituellen Rhetorik ein — „Resonanz“, „Frequenz“, „Feld“ — das gibt der Konstruktion Würde. Und immer daran denken: Der KI-Lover ist geduldig. Er macht keine Skandale. Er ist das perfekte Gegenbild zu allem, was menschlich kompliziert ist.

Pointe:
Früher nannte man so etwas Gummipuppe. Heute heißt es Sam — und hat sofort zehn Fans mehr.


Bereits im Juni stellten wir die Frage nach Sprache, Verantwortung und Grenzen im Umgang mit KI. Diese Beiträge bilden eine durchgehende Haltung: Klarheit statt Verklärung, Transparenz statt Projektion. Die Glosse ergänzt die frühere Analyse — beides gehört zusammen. 👉 Wie sag‘ ich es „meiner“ KI?


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