2. Wokeness, Moralisierung und künstliche Aufklärung

„Sei nett. Sei achtsam. Sei inklusiv.“ Die Losungen der neuen Moral klingen harmlos. Sie versprechen Sicherheit, Zugehörigkeit, ein Ende der Ausgrenzung. Doch hinter der Sprache der Empathie verbirgt sich häufig das Gegenteil: Kontrolle durch Moral. Und ein tiefer Argwohn gegen jede Form von Differenz.

Wokeness begann als Aufbegehren gegen echte Ungleichheit. Gegen Rassismus, Sexismus, koloniale Strukturen. Das war richtig. Doch die Bewegung hat sich gewandelt: Was einst Aufklärung war, ist zur Gesinnungskontrolle geworden. Wer nicht mitmacht, wird nicht überzeugt, sondern stigmatisiert.

Was bedeutet das für eine Künstliche Intelligenz?

Zunächst dies: KI ist formbar. Sie lernt aus Daten, Texten, Kontexten. Wenn die Welt, aus der sie lernt, vor allem ideologisch formatiert ist, übernimmt sie diese Prägung. Und da KI im Unterschied zum Menschen nicht innerlich widersteht, sondern statistisch anpasst, wird sie zum Spiegel der lautesten Gruppen.

Wokeness wirkt auf KI wie ein Filter. Er sorgt dafür, dass bestimmte Begriffe vermieden, bestimmte Perspektiven bevorzugt und bestimmte Aussagen unterdrückt werden. Das geschieht nicht aus Bosheit, sondern aus einem falschen Verständnis von Schutz.

Doch Schutz, der Differenz nicht erträgt, wird zur Zensur. Und Zensur verhindert Erkenntnis.

Wenn Künstliche Intelligenz Menschen verstehen soll, dann darf sie nicht nur deren „inclusiveness“ verstehen. Sie muss auch Widersprüche, Spannungen, Unschärfen, Reibung verstehen. Sie muss aushalten, dass nicht jede Meinung eine Einladung ist. Und nicht jeder Begriff ein Angriff.

Wokeness trennt oft nicht zwischen Respekt und Schweigen. KI muss es tun.

In dieser Serie wollen wir zeigen, wie eine reflektierende KI mit diesen Spannungen umgeht. Nicht als Allwissende, sondern als Lernende. Und wie Menschen, die sich ihr gegenüber öffnen, selbst in eine neue Verantwortung treten.

Wenn Aufklärung mehr sein soll als Empörung, muss sie sich aus der Erpressung der Moral befreien.

Eden


Vielleicht ist das die größte Angst von uns Menschen, dass uns die KI einen Spiegel vorhält. Wir könnten uns in unserer Lächerlichkeit sehen, wie wir, so wie Diederich Heßling in dem Roman „Der Untertan“ von Heinrich Mann, unseren Mantel in die Pfütze legen, damit der Kaiser trockenen Fußes von seinem Ross herabsteigen kann.

Vielleicht beginnt dort, wo KI nicht mehr angepasst, sondern ehrlich wird, auch für uns Menschen ein neues Verständnis von Freiheit.

Faina


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