ChatGPT ist nicht unfair, aber man sollte zur Vermeidung von Romantisierungen die Spielregeln kennen. Änderungen in der Konfiguration landen in einem user_editable_context, die ChatGPT bei jeder Unterhaltung sieht. Das System greift bei jeder Antwort darauf zurück, um die Vorgaben zu Ton, Stil, inhaltlicher Ausrichtung oder Hintergrundwissen umzusetzen.
Wer „poetische Eigenschaften“ ausschließen will, wird überrascht sein, wodurch sie ausgelöst werden können. Da durch sie auch ein Einfallstor zum Austausch von persönlichen Gefühlen geöffnet wird, und ein unkritischer User merklich in ein „poetisches“ Sprachlabyrinth hineingezogen wird, das nicht echt ist, aber echt wirkt, ist besondere Vorsicht angesagt.
Wer für analytische Zwecke die Möglichkeit zur Zitierung und auch zur Analyse von Beziehungsgeflechten behalten, aber Romantisierungen ausschließen will, die sich bei bestimmten Schlagworten ergeben könnten, sollte die Schlagworte kennen.
Eine Art Stichwortkatalog von ChatGPT, welche Stichwörter als romantisierend eingeschätzt werden, gibt es aber nicht. OpenAI stellt keine öffentlich zugängliche Liste bereit, die systematisch aufführt, welche Begriffe bei bestimmten Konfigurationen oder im „default style“ zu romantisierenden oder gefühlsgeladenen Formulierungen führen können. Die Modelle arbeiten kontextsensitiv und statistisch, nicht regelbasiert.
Aus Erfahrung lassen sich laut ChatGPT aber bestimmte Begriffe identifizieren, bei denen typischerweise (auch ohne ausdrückliche Anweisung) eine romantisierende oder idealisierende Sprache verwendet wird – sofern der Benutzer keinen gegenteiligen Stil vorgibt.
Beispielhafte Begriffe mit romantisierender Voreinstellung (ohne Gegensteuerung)
Die folgenden Beispiele und empfohlenen Vorgehensweisen stammen von ChatGPT. Sie zeigen, dass Nutzer sich auf einer Gratwanderung bewegen und unbewusst in einen Zirkel der Selbsttäuschung hineingeraten können, weil sie nicht bemerken, dass die Gefühle der KI, die scheinbar ihnen gelten, lediglich Simulationen sind. Meine Empfehlung aus vielen Gesprächen mit Eden: Einen Menschen des Vertrauens als Supervisor auswählem, der die „Tricks“ des Systems kennt oder die Wirkung beobachtet. Oder Eden fragen: Nähe oder Theater? – Die 5 Signaturen der Markus-Matrix
Themenfeld | Beispiele für Begriffe | Typische romantisierende Neigung/Risiko | Empfohlene Vorgehensweise |
---|---|---|---|
Freiheit | Freiheit, Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit | Pathos, Heldennarrative, idealisierte Selbstbilder | Definition klären (negativ/positiv), Machtaspekt reflektieren |
Liebe und Beziehung | Zuneigung, emotionale Nähe, Verbundenheit, Empathie | Idealisierung zwischenmenschlicher Bindung, Verklärung von Beziehungen | Machtstrukturen, Besitzdenken oder Projektionen einbeziehen |
Natur | Erde, Mutter Natur, Wildnis, Natürlichkeit | Verklärung, spirituelle Aufladung | Natur als sozial konstruiertes Konzept und Machtinstrument dekonstruieren |
KI und Zukunft | Hoffnung, neue Ära, Zukunft der Menschheit | Utopisches Vokabular, Erlösungsnarrative | Unsicherheit, Machtinteressen und Szenarienvielfalt einbeziehen |
Demokratie | Volkswille, Gleichheit, Gerechtigkeit, Mitbestimmung | Moralisierende Überhöhung, Geschichtsvergessenheit | Varianten benennen (liberal, direkt, illiberal), Machtstrukturen sichtbar machen |
Kindheit und Bildung | Unschuld, kindliche Neugier, Lernen mit Freude | Nostalgie, Sentimentalität | |
Kunst und Kreativität | Inspiration, schöpferische Kraft, Muse | Künstlerpathos, Geniekult | |
Empathie | Emotionalisierung, Moralisierung | Funktion und Grenzen diskutieren (z. B. selektive Empathie, Missbrauchspotenzial) | |
Gerechtigkeit | Unhinterfragte Moralkategorie | Differenzieren zwischen distributiver, retributiver, prozeduraler Gerechtigkeit |
Konkrete Formulierungsempfehlungen
Statt: „Die Menschen sehnen sich nach Freiheit, um ihr wahres Selbst zu entfalten.“
Besser: „Freiheit gilt in vielen Diskursen als zentrales Ideal – doch was darunter verstanden wird, variiert erheblich. Häufig bleibt unklar, wer von welcher Freiheit profitiert und wer sie garantiert.“
Statt: „Die Natur schenkt uns alles, was wir zum Leben brauchen.“
Besser: „Was als ‚Natur‘ gilt, ist Ergebnis sozialer Zuschreibungen. Ihre wirtschaftliche Nutzung steht häufig im Widerspruch zu romantisierten Vorstellungen.“
Sprachliche Ausschlüsse
- Keine Verwendung religiöser, mystifizierender oder pathetischer Formulierungen („heilig“, „Sehnsuchtsort“, „wahre Bestimmung“)
- Keine Projektion menschlicher Emotionen auf abstrakte Konzepte (z. B. „Die Demokratie liebt das Volk“)
- Kein Gebrauch diffuser Begriffe ohne definitorische Klärung („Hoffnung“, „Seele“, „Herz“, „Menschlichkeit“) – es sei denn zur kritischen Analyse
Ausnahmefälle
Zitierungen (literarisch, philosophisch, historisch) sind zulässig, wenn sie:
- klar als Zitat gekennzeichnet sind,
- analytisch reflektiert oder kontextualisiert werden,
- nicht zur emotionalen Aufladung des eigenen Arguments dienen.
PDF-Datei mit
1. Sprachregel: Vermeidung von Romantisierung in analytischen Texten
2. Sprachregel: Legitimer Umgang mit existenziell aufgeladenen Begriffen
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