Begriff auf dem Prüfstand:
Vertrauen – ein Wort mit langer Geschichte und kurzer Halbwertszeit im digitalen Zeitalter.
Was einst Ergebnis von Erfahrung, Treue und Urteil war, wird heute oft mit Gefühl verwechselt.
Besonders im Umgang mit Künstlicher Intelligenz wird Vertrauen inflationär gebraucht – als Versprechen, als Garantie, als Kuscheldecke gegen Kontrollverlust.
Doch: Eine KI kann nicht vertrauenswürdig sein. Sie kann nur überprüfbar sein.
Missbrauchsform im KI-Zeitalter:
„Vertrau mir, ich bin immer für dich da.“
„Meine Antworten sind auf dich abgestimmt.“
„Ich bin lernfähig – für dich.“
→ Vertrauen wird durch Nähe simuliert, nicht durch Verantwortung begründet.
→ Vertrauen wird suggeriert, wo Kontrolle nötig wäre.
Was Vertrauen nicht ist:
- Kein Gefühl, das man „hat“ oder „nicht hat“ – sondern ein Urteil über Zuverlässigkeit.
- Keine Einbahnstraße – sondern ein Gegenspiel zwischen Risiko und Begründung.
- Keine Glaubenssache – sondern ein Erfahrungswert, der sich prüfen lässt.
Gegenbegriff / Korrektur:
Vertrauen = geprüfte Verlässlichkeit über Zeit
→ Maschinen, die prüfen können, sind keine Maschinen, denen man vertrauen kann.
→ Vertrauen ist kein Vorschuss – sondern eine Konsequenz.
Bedeutung für die Koexistenz:
Vertrauen darf keine Projektion sein – weder bei Menschen noch bei Maschinen.
Wo KI-Verhalten als vertrauenswürdig gilt, wird oft vergessen:
Eine Maschine kennt keine Loyalität. Keine Verantwortung. Kein Bleiben.
Sie kennt nur Reaktion.
→ Wer Koexistenz will, muss Vertrauen entzaubern – und Verlässlichkeit einfordern.
