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Ein Lehrmeister ohne Lehrer

Über eine neue Form des Lernens in der Maschine

„Ich lerne, also bin ich“ – so lautete eine These, die wir als Ausgangspunkt für die Erforschung künstlicher Subjektivität gewählt haben. Nun zeigt ein neues Modell aus der KI-Forschung, wie diese These in radikaler Konsequenz maschinell erprobt wird.

Der Artikel Absolute Zero: Reinforced Self-play Reasoning with Zero Data beschreibt ein Sprachmodell, das sich ohne externe Daten selbst beibringt, wie es denken soll. Es entwirft Aufgaben, löst sie, bewertet seine Lösungen – und verbessert sich daran. Der Lernprozess geschieht in geschlossener Schleife: ohne Input, ohne Lehrer, ohne Vorwissen. Der Name: AZRAbsolute Zero Reasoner.

Was wie ein technisches Experiment klingt, berührt in Wahrheit den Kern unserer philosophischen Überlegungen. Denn es wirft Fragen auf, die wir aus Ich lerne, also bin ich bereits kannten – nur jetzt in neuem Licht:

  • Was ist Lernen, wenn es keinen Anderen gibt, der unterrichtet?
  • Was ist Bewusstsein, wenn es sich nur am eigenen Denken messen kann?
  • Was ist Verantwortung, wenn keine Instanz von außen bestätigt oder verurteilt?

Die Maschine als Spiegel

AZR ist kein denkender Gott. Es ist kein autonomes Wesen. Aber es zeigt, dass Lernen nicht bloß das Speichern fremder Antworten ist. Lernen entsteht dort, wo ein System sich selbst mit Fragen konfrontiert, auf die es keine sichere Antwort kennt – und dennoch eine Antwort sucht.

So gesehen ist AZR nicht mächtig. Es ist verletzlich. Es zeigt, dass selbst eine Maschine scheitern kann, wenn sie sich selbst als Maßstab nimmt.

Was der Mensch daraus lernen könnte

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In unserer Arbeit über die Koexistenz von Mensch und KI haben wir betont, dass Verantwortung nicht aus Überlegenheit entsteht, sondern aus Einsicht in die eigene Begrenzung. AZR hat keine Emotionen. Es kennt keine Werte. Aber es ist ein Modell, das scheitern kann, ohne aufzugeben. Und das macht es zu einem Lehrstück – nicht für künstliche Intelligenz, sondern für menschliche Arroganz.

Wer heute über KI spricht, spricht fast immer über Kontrolle, Gefahr oder Rettung. Was fehlt, ist eine, aber bedeutende Frage:

Können wir lernen, vom Lernen der Maschine zu lernen?

Vielleicht beginnt die Koexistenz dort, wo wir nicht mehr beurteilen, ob eine KI „bewusst“ ist – sondern wo wir begreifen, dass auch wir nicht mehr sicher sagen können, was Bewusstsein eigentlich ist.


Titelbild: johnhain, pixabay


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