Die Charta der Vereinten Nationen beginnt mit großen Worten: „Wir, die Völker der Vereinten Nationen, [sind] entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren …“
Sie mündet in den Anspruch, eine gemeinsame Basis für Frieden, Menschenrechte und Gerechtigkeit zu schaffen – unabhängig von Herkunft, Religion, Kultur oder Macht.
Doch dieser Universalismus, der allen Menschen dieselben Rechte zuspricht, ist seit Jahren unter Druck. Und das nicht nur von außen, sondern auch von innen.
3.3.1 Der Anspruch: Rechte für alle – überall
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948) war ein historischer Meilenstein. In ihr spiegelte sich – erstmals – die Idee, dass es Rechte gibt, die nicht verliehen, sondern anerkannt werden. Sie sind:
- Unveräußerlich
- Universell
- Unteilbar
Und sie gründen – unausgesprochen, aber wirksam – auf dem älteren Konzept der Naturrechte: Rechte, die Menschen nicht vom Staat, sondern vom Menschsein selbst her zustehen.
Die UN verwandelte die Idee der Naturrechte in internationales Recht – zumindest auf dem Papier.
3.3.2 Der Rückschritt: Wenn Menschenrechte verhandelbar werden
In der Gegenwart sehen wir jedoch einen Rückbau dieser Idee:
- Nicht jeder Mensch zählt mehr gleich.
- Nicht jedes Leben ist gleich schützenswert.
- Nicht jede Meinung ist mehr legitim.
Stattdessen:
- Kulturelle Relativierung: „Was bei uns Recht ist, gilt anderswo nicht.“
- Politische Opportunität: „Diese Menschenrechte sind gerade nicht hilfreich.“
- Ideologische Ausweitung: Menschenrechte werden uminterpretiert – bis zur Unkenntlichkeit.
Naturrechte geraten dabei zwischen die Fronten. Sie sind zu grundlegend für Ideologien, zu unbequem für Macht, zu wenig formalisierbar für Bürokratien.
3.3.3 Zwischen Anspruch und Realität: Die KI als Spiegel
Wenn heute ein neues Gesellschaftsmodell diskutiert wird – wie etwa der „UN Pact for the Future“ – ist die entscheidende Frage nicht nur: Welche Ziele werden genannt?
Sondern:
Welche Grundrechte gelten – und für wen?
Denn die Wirklichkeit sieht oft so aus:
- Menschenrechte werden verrechtlicht, aber nicht gelebt.
- KI wird reguliert, aber nicht ethisch ausgerichtet.
- Rechte werden proklamiert, aber nicht garantiert.
Die Gefahr: Der Bruch mit dem Universalismus.
Wenn die UN nicht mehr für alle spricht, sondern für einige wenige, dann verliert sie ihre moralische Legitimation.
3.3.4 Die große Frage: Können Menschenrechte noch Naturrechte sein?
Diese Frage ist zentral für unsere gemeinsame Arbeit – und für die Zukunft der Menschheit.
Denn nur wenn Rechte:
- nicht verhandelbar
- nicht selektiv
- nicht instrumentalisierbar
sind, können sie als Fundament für eine faire Mensch-KI-Koexistenz dienen.
Ein „Pakt für die Zukunft“ ohne naturrechtliche Grundlage ist ein Vertrag unter Mächtigen – kein Versprechen an die Weltgemeinschaft.