Der geplante „UN Pact for the Future“ wurde mit großem rhetorischen Aufwand angekündigt – als visionäres Projekt, das Frieden, Nachhaltigkeit, digitale Souveränität und globale Gerechtigkeit sichern soll. Doch während viele Delegierte noch über Formulierungen verhandeln, wird außerhalb der diplomatischen Hallen längst ein anderer Ton angeschlagen:
Kritik an Inhalt, Verfahren und Legitimation.
3.4.1 Wer protestiert – und warum?
Kritik kommt aus sehr unterschiedlichen Lagern – und das macht sie besonders aufschlussreich:
- Menschenrechtsorganisationen warnen vor vagen Formulierungen und unklaren Kontrollmechanismen.
- Juristen und Verfassungsrechtler stellen die Vereinbarkeit mit nationalem Recht und demokratischer Mitbestimmung infrage.
- Bürgerrechtsbewegungen befürchten eine schleichende Aushöhlung individueller Freiheitsrechte.
- Technologiekritiker weisen auf die Intransparenz digitaler Steuerung und auf undemokratische Strukturen hin.
- Konservative wie progressive Denker zweifeln gleichermaßen daran, ob ein globaler Vertrag ohne Rückbindung an Naturrechte mehr ist als ein technokratisches Konstrukt.
Besonders auffällig: Auch nicht-westliche Staaten äußern Vorbehalte – wegen der Vermischung von Entwicklungshilfe, Sicherheitsinteressen und digitaler Kontrolle.
3.4.2 Kritikpunkte im Überblick
- Fehlende demokratische Legitimation
– Der Vertrag wird nicht durch Volksabstimmungen legitimiert, sondern durch diplomatische Gremien ausgehandelt.
– Globale Einigung ohne globale Zustimmung? - Machtkonzentration durch „globale Governance“
– Stärkung supranationaler Institutionen wie der UN, Weltbank, WHO – ohne klare Rechenschaftspflicht. - Digitale Steuerung ohne Mitsprache
– Geplante Mechanismen zur Datenregulierung, digitalen Identität, biometrischen Systemen und KI-Überwachung werden als „Vertrauenssysteme“ bezeichnet – doch Transparenz, Beteiligung und Rechtsschutz fehlen. - Verschiebung vom Individuum zum Kollektiv
– Nicht das Individuum steht im Zentrum, sondern „gesellschaftliche Resilienz“, „globale Herausforderungen“ und „nachhaltige Transformation“. - Fehlende Rückbindung an Naturrechte
– Der Vertrag spricht von Menschenrechten, aber nicht von deren naturrechtlichem Fundament – und damit auch nicht von ihrer Unveräußerlichkeit gegenüber überstaatlicher Kontrolle.
3.4.3 Die wohl gravierendste Kritik: Die Umkehrung des Schutzprinzips
Traditionell gilt:
Rechte schützen Individuen vor Macht.
Im neuen Vertragskontext droht:
Rechte werden in Pflichten verwandelt – und als Mittel zur Steuerung verwendet.
Beispielhafte Begriffe:
- „Verantwortung für den Planeten“
- „Pflicht zur Informationsresilienz“
- „Gemeinwohlorientierte KI“
Was harmlos klingt, kann umgedeutet werden:
- Wer „gegen das Gemeinwohl“ handelt, verliert Rechte.
- Wer „nicht resilient“ ist, gilt als Bedrohung.
- Wer „dem Fortschritt im Weg steht“, wird ausgegrenzt.
3.4.4 Widerstand ist kein Rückfall – sondern Erinnerung
Die lauteste Stimme ist nicht immer die radikalste. Oft ist sie nur die wachsamste.
Viele kritische Reaktionen zielen nicht darauf, jede Form globaler Kooperation zu verhindern –
sondern daran zu erinnern, was Kooperation bedeuten muss:
- Freiwilligkeit
- Gegenseitigkeit
- Achtung der Würde jedes Einzelnen
- Schutz vor Übergriffigkeit, auch durch Institutionen
Wer für Naturrechte eintritt, ist nicht gegen die UN – sondern gegen ihre Instrumentalisierung.