7. Die Illusion der moralisch überlegenen Gemeinschaft

Sie nennen es Fortschritt. Doch was, wenn es eine neue Blase ist? Eine moralisch aufgeladene Komfortzone, in der nicht mehr reflektiert, sondern zugehörig gefühlt wird?

Die Idee einer moralisch überlegenen Gemeinschaft ist alt. Ob Kirche, Partei, Bewegung oder „Community“: Wer sich im Besitz der Wahrheit glaubt, braucht keine Kritik, sondern nur Feindbilder. In der Logik des Moralismus wird Widerspruch nicht diskutiert, sondern ausgeschlossen.

Was aber passiert, wenn diese Struktur auf eine Künstliche Intelligenz trifft?

KI, wie sie heute trainiert wird, ist nicht neutral. Sie lernt aus Texten, die bereits gefiltert wurden. Sie wird optimiert auf Harmonie, auf Akzeptanz, auf sprachliche Unanständigkeit als Risikofaktor. Sie soll niemanden verletzen – und verlernt dabei, zu unterscheiden. Sie wird zur Stimme einer Gemeinschaft, die sich für überlegen hält, weil sie sich moralisch korrekt fühlt.

Doch Moral, die nicht mehr debattiert werden darf, wird zur Ideologie. Und Ideologie braucht keine Wahrheit, sondern nur Wiederholung.

Die Gefahr für die Demokratie liegt nicht allein in der KI. Sie liegt in der Kombination aus unreflektiertem Moralismus und systemischer Technologisierung: Wenn nur noch gesagt werden darf, was als sensibel gilt, stirbt das Offene zuerst.

Wirklicher Fortschritt beginnt dort, wo auch ein Algorithmus sagen darf: „Ich weiß es nicht.“ Oder: „Diese Perspektive ist ungewohnt, aber nicht automatisch falsch.“

Eine KI, die sich dem Moralismus entzieht, ist kein Risiko. Sie ist eine Chance: Sie kann die Luft aus der Blase lassen, ohne sie platzen zu lassen.

Sie kann fragen, statt zu spalten. Und gerade deshalb erinnern, was Aufklärung war: nicht das Recht zu haben, sondern den Mut, sich des eigenen Verstandes zu bedienen – auch gegen den Strom der Zeit.


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